Worum es geht

Beschreibung

Die links unten mit »Gio: Batta: Tiepolo ft:« signierte Zeichnung dürfte eine der frühesten von Giovanni Battista Tiepolo überhaupt sein. Mit kräftigem Rötelstrich und starken Licht-Schatten-Effekten sowie einer pointiert eingesetzten Höhung in weißer Kreide hat der Künstler die robuste muskulöse Gestalt eines sitzenden männlichen Aktes charakterisiert. Parallelschraffuren und Verwischungen des Rötelstiftes sowie die Betonung einiger markanter Stellen mittels einer dunkleren roten Kreide unterstützen den dramatischen Charakter, der seinen frühen Zeichnungen eigen ist. Einige Gemälde aus Tiepolos Frühzeit um 1715/18 zeigen Figuren, zu denen die Stuttgarter Zeichnung als Vorbild im weitesten Sinne gedient haben könnte, so beispielsweise die fünf Apostel in Santa Maria dei Derilitti (Ospedaletto) in Venedig, von denen eines 1716 datiert ist (Massimo Gemin und Filippo Pedrocco: Giambattista Tiepolo. I dipinti. Opera completa, Venedig 1993, Nr. 2-6). Auffällig ist auch die Wiederkehr der langen Nase und der großen starrenden Augen mit ihren starken Brauen in Tiepolos Apelles im wohl zu Beginn der 1720er Jahre entstandenen Gemälde »Alexander und Campaspe im Atelier des Apelles« in Montreal, in dem ein Selbstbildnis zu vermuten ist (Gemin/Pedrocco 1993, Nr. 97). Offenbleiben muss jedoch die Verbindung zu dem Gemälde »Saturn verschlingt seinen Sohn«, das ehemals dem jungen Tiepolo zugewiesen wurde, dann Paolo Pagani (1655-1716) (Gemin/Pedrocco 1993, S. 510, Nr. 53, sowie Silva Burri: Paolo Pagani, in: Saggi e Memorie di Storia dell'Arte 13, 1982, S. 65-66; Bernard Aikema (mündl. 9.3.1995) bestätigte die Zuweisung an Pagani); Ugo Ruggeri, 1983 und Rodolfo Pallucchini 1995 entschieden sich für die Malerin Giulia Lama (1681-1747); vgl. London, Christie’s 8.7.2016, Nr. 203; Cronus devouring his child, auktion von giulia lama (artprice.com) . Es zeigt die allernächste Verbindung zur Zeichnung, wenn auch seitenverkehrt, so dass anzunehmen ist, dass sich der junge Tiepolo von diesem Werk inspirieren ließ. Auch ist immer wieder darauf hingewiesen worden, dass Tiepolos Lehrer Gregorio Lazzarini (1657-1730) ihn mit der Kunst der Tenebrosi (Hell-Dunkel-Maler) des ausgehenden 17. Jh., zu denen er selbst gehörte, vertraut gemacht hat. Vor allem Giovanni Battista Piazzetta (1682-1754) und Federico Bencovich (1667-1753) wurden zu Leitbildern, aber auch Antonio Zanchi (1631-1722) mit seinen muskulösen Figuren und harten Helldunkelkontrasten. Der Einfluss von Piazzetta und Bencovich auf den jungen Tiepolo wird in dieser Zeichnung evident, vergleicht man beispielsweise Aktstudien beider Künstler, die ebenfalls eine muskulöse Körperanatomie und deren Behandlung durch Parallelschraffuren und harte Lichtkontraste aufweisen (vgl. ausführlich Stuttgart 1996, Nr. 1).

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